„Gerade mich, der ich dem Politischen auszuweichen
versuchte, holte immer wieder die Politik ein, brachte
mich mit meinen Filmen immer wieder in Konflikte.
Das hängt wohl damit zusammen, dass ein Mensch,
der in seinen Filmen die ganze, ungeschminkte
Wahrheit über die Absurdität menschlicher Existenz
zu sagen versucht, geradezu unausweichlich eine
Provokation offzieller Tabus wagt.”
(Juraj Jakubisko)
Anschließend an die Vorführung:
Diskussion mit Juraj Jakubisko und Deana Horváthová-Jakubisková
Anschließend an die Vorführung:
Filmgespräch: Juraj Jakubisko im europäischen Kontext
Der Kölner Filmjournalist Olaf Möller im Gespräch mit
Juraj Jakubisko und Deana Horváthová-Jakubisková.
Biofilmographie:
Geboren 1938 im ostslowakischen Kojsov, studiert Jakubisko zwischen
1960 und 1966 Regie an der Filmhochschule in Prag, wo er zu den Absolventen
jenes Jahrgangs gehört, die den Kern der ‚Neuen Welle‘ bilden. Bereits
mit einigen studentischen Kurzfilmen und mit seinem Diplomfilm CEKAJI NA
GODOTA (WARTEN AUF GODOT, 1967) findet Jakubisko internationale Anerkennung.
KRISTOVÉ ROKY (CHRISTUSJAHRE, 1967), sein Debütfilm im slowakischen
Studio Koliba, gilt als einer der Schlüsselfilme der ‚Neuen Welle‘,
wird mit einigen internationalen Preisen ausgezeichnet und bringt ihm bei
der Kritik den Ruf des ‚Jungen Wilden‘ der Neuen Welle ein.
Höhepunkt seines Schaffens während der bewegten Periode des ‚Prager Frühlings‘ ist die Trilogie ZBEHOVIA A PÚTNICI (DESERTEURE UND PILGER, 1968), VTÁCKOVIA, SIROTY A BLÁZNI (VÖGEL; WAISEN, NARREN, 1969) und DO VIDENIA V PEKLE, PRIATELIA (AUF WIEDERSEHEN IN DER HÖLLE FREUNDE, 1970). Die Trilogie zeugt in jeder Hinsicht von einem stürmischen Aufbruch: inszeniert mit dem hippiesken Geist des Happenings, in einer phantasiestrozenden, surrealen Filmsprache und einer außergewöhnlichen Kameraarbeit. Nach der Okkupation der ?SSR werden diese international viel beachteten Filme als in Form und Inhalt konterrevolutionär verdammt. Jakubisko dreht vorerst nur noch Dokumentarfilme mit offiziösem Charakter und ab Mitte der 80er Jahre Märchenfilme, die in Co-Produktion mit der Bundesrepublik entstehen.
1979 darf er den für seine Verhältnisse konventionellen Spielfilm
POSTAV DOM, ZASAD STROM (BAU‘ EIN HAUS, PFLANZ‘ EINEN BAUM, 1979) drehen.
Der Realismus dieses Films macht Jakubisko aber wieder salonfähig.
Mit dem Meisterwerk TISÍ?RONA V?ELA (DIE TAUSENDJÄHRIGE BIENE,
1983) festigt er seinen Ruf als ‚Fellini des Ostens‘ und wird 1984 in Venedig
mit dem ‚Goldenen Löwen‘ ausgezeichnet. 1991 gründet er seine
eigene Produktionsfirma und knüpft mit der Produktion NEJASNÁ
SPRAVA O KONCI SVETA (UNKLARE BOTSCHAFT VOM ENDE DER WELT, 1997) formal
und inhaltlich an seine frühen Erfolge an.
Obwohl die Tschechoslowakei als Staat nicht mehr existiert, kann man
den gebürtigen Ostslowaken mit Wohnsitz in Prag immer noch einen ‚tschechoslowakischen
Regisseur‘ nennen. Sein Werk und seine künstlerische Laufbahn sind
Zeugnis einer doppelten kulturellen Identität. Als radikaler Autorenfilmer,
der zugleich Regisseur, Autor und Kameramann ist, entwickelt Jakubisko
aus dem Geist der slowakischen Folklore anarchistisch-surreale Bildphantasien,
mit denen er alte und neue Mythen seines Volkes und seiner Gesellschaft
aufgreift. (Quelle: Filmdienst/ Lexikon des Internationalen Films)
Eröffnungsprogramm
LEPŠIE BYT‘ BOHATÝ A ZDRAVÝ AKO CHUDOBNÝ A CHORÝ
(BESSER REICH UND GESUND ALS ARM UND KRANK)
11.06. 19.30 h in Anwesenheit von Juraj Jakubisko und Deana Horváthová
?SFR 1992 • 100 Min • OmenglU • Regie und Drehbuch: Juraj Jakubisko
• Kamera: Viktor R?ži?ka • Produktion: Mirofilm, ?SFR
mit Deana Horváthová, Dagmar Veškrnová, Juraj
Kukura, Vilma Jamnická
Jakubiskos Satire trägt den programmatischen Titel BESSER REICH
UND GESUND ALS ARM UND KRANK und zeigt ein kritisches Bild der slowakischen
Gesellschaft in der Zeit des sozialen und politischen Wandels nach der
Samtenen Revolution. Am Beispiel einer Slowakin und einer Tschechin, die
vom kapitalistischen Pioniergeist erfasst werden, nimmt Jakubisko die Auswüchse
des wilden Liberalismus aufs Korn.
Er erzählt das Schicksal zweier sehr unterschiedlicher Frauen
und ihres gemeinsamen Liebhabers, eines immer wiederkehrenden Emigranten.
Riskante Pläne bringen sie in so manche heikle Situation. Reichtum
und Erfolg können aber offenbar kein wirkliches Glück garantieren.
Die Vision einer bevorstehenden Trennung des Landes wertete man zunächst
bloß als einen Einfall des Regisseurs, ein halbes Jahr später
wurde sir zur Realität.
Anschließend an die Vorführung: Filmgespräch Deana Horváthová
und Juraj Jakubisko
PROFIL REŠROFIL REŽISÉRA (PROFIL EINES REGISSEURS)
12.06. 19.30 h
SSR 1989 • 40 Min • OmenglU • Regie/ Drehbuch: Mat?j Miná? •
Kamera: Dod Šimoni? • Produktion: Spielfilmstudio Bratislava Koliba
Federico Fellini hat in seinem Leben nur ein einziges umfangreiches
Exklusivinterview über die Arbeit eines anderen Regisseurs gegeben
- über Filme von Juraj Jakubisko. Fellini empfand solch eine Verbundenheit
mit Jakubiskos Werk, dass er ihn als seinen Bruder bezeichnete.
Der Film von Mat?j Miná? dokumentiert die Entstehung des Spielfilms
SEDÍM NA KONÁRI A JE MI DOBRE (1989). Gleichzeitig bietet
er einen Querschnitt durch das gesamte Filmwerk Jakubiskos und beschäftigt
sich mit seinen ästhetischen Prinzipien und den Quellen seiner Inspiration.
Durch den Film führen Federico Fellini und Giulietta Massina.
Anschließend an die Vorführung:
FILMGESPRÄCH: JURAJ JAKUBISKO IM EUROPÄISCHEN KONTEXT
Der Kölner Filmjournalist Olaf Möller wird im Gespräch
mit Juraj Jakubisko und Deana Horváthová auf einige Wendepunkte
im Leben und Werk des Regisseurs eingehen:
Wie stark spiegeln sich politische und gesellschaftliche Veränderungen
in Jakubiskos Werk wider, welche Rolle spielten Zensur und Arbeitsverbot?
Wie wurde Jakubisko in anderen sozialistischen Staaten rezipiert? Fellinis
Verbundenheit mit Jakubisko gibt Anlass zu fragen, wie sein Werk im Westen
insgesamt wirkt und welche Wechselwirkung festzustellen ist.
KRISTOVÉ ROKY (CHRISTUSJAHRE) 13.06. 19.30 h
14.06. 16.00 h
?SSR 1967 • 95 Min • OmdtU • Regie: Juraj Jakubisko • Drehbuch: Juraj
Jakubisko, Lubor Dohnal • Kamera: Igor Luther • Produktion: Spielfilmstudio
Bratislava - Koliba, ?SSR
mit Ji?í Sýkora, Jana Stehnová, Vlado Müller
Die Geschichte zweier ungleicher Brüder – der eine vagabundierender
Kunststudent in Prag, der andere zielstrebiger Militärpilot – die
beide das Alter der ‚Christusjahre‘ erreicht haben und sich in dieselbe
Frau verlieben. Jakubisko beschäftigt sich mit dem Lebensabschnitt,
in dem die Jugend unwiderbringlich zu Ende geht. Mit dem Selbstfindungsprozess
eines slowakischen Künstlers im Prager Milieu thematisiert er auch
seine eigene Identitätssuche.
Sein international vielbeachtetes Spielfilmdebüt gilt als einer
der Schlüsselfilme der ‚Neuen Welle‘ und bringt ihm bei der Kritik
den Ruf des ‚Jungen Wilden‘ ein. (Filmdienst)
VTÁ?KOVIA, SIROTY A BLÁZNI (VÖGEL, WAISEN, NARREN)
14.06. 19.30 h
16.06. 17.30 h
?SSR/ Frankreich 1969 • OmdtU • 78 Min • Regie: Juraj Jakubisko • Drehbuch:
Juraj Jakubisko, Karol Sidon • Kamera Igor Luther • Produktion: Slowakische
Filmproduktion Bratislava, ?SSR/ Como Film Paris, Frankreich
mit Ji?í Sýkora, Philippe Avron, Magda Vašaryová
Drei junge Menschen - Yorick, Andrej und Marta - in den Wirren des
‚Prager Frühlings‘: In der Hausruine eines verrückt gewordenen
Priesters proben sie ein Aussteigerdasein.
Die anarchische Verrücktheit der Figuren und ihr Rückzug
aus der Gesellschaft in eine opulent absurde Phantasiewelt spiegeln zugleich
das Gefühl der Verzweiflung und der Absurdität nach dem Schock
der sowjetischen Invasion. Eine Gleichnis-Collage über den ewigen
Menschheitstraum von Glück und Freiheit, die durch phantasiestrozende
Filmsprache und außergewöhnliche Kameraarbeit auffällt.
(Filmdienst)
POSTAV DOM, ZASAD‘ STROM
(BAU‘ EIN HAUS, PFLANZ‘ EINEN BAUM)
15.06. 19.30 h
17.06. 17.30 h
?SSR 1979 • 76 Min • OmdtU • Regie: Juraj Jakubisko • Drehbuch: Mikuláš
Ková? • Kamera: Stanislav Dorši?, Vladimír Holloš • Produktion:
Slowakische Filmproduktion Bratislava, ?SSR
mit Pavel Nový, Jana B?ezinová, Ond?ej Pavelka
Ein erzwungener Versuch, sich nach den surreal gehaltenen Spielfilmen
der ‚Neuen Welle‘ und einer von den Normalisatoren nach dem ‚Prager Frühling‘
verordneten Schweigepause nun auf eine etwas konventionellere Art der sozialistischen
Realität zu nähern. Aus der Sicht der kommunistischen Zensur
ein fehlgeschlagener Versuch. Der Film landete kurz nach seiner Premiere
auf der Liste der verbotenen Filme.
Der junge Matúš, verliebt sich in die örtliche Schönheit
Helena, eine alleinerziehende Mutter. Matúš versucht auf originellen,
aber riskanten Wegen, alles auf einmal zu erreichen - Haus, Baum, Sohn,
aber wie - ohne stehlen zu müssen? Eine Tragikomödie über
die Doppelmoral der sozialistischen Gesellschaft:
TISÍCRO?NÁ V?ELA (DIE TAUSENDJÄHRIGE BIENE)
16.06. 19.00 h
?SSR/ BRD/ Österreich/ Italien 1983 • 170 Min • OmenglU • Regie:
Juraj Jakubisko
Buch: Peter Jaros, Juraj Jakubisko nach einem Roman von Peter Jaros
• Kamera: Stanislav Dorši? • Musik: Petr Hapka • Produktion: Slowakische
Filmproduktion Bratislava, ?SSR / Beta Film München, Deutschland
mit Jozef Króner, Štefan Kvietik, Michal Do?olomanský,
Jana Janovská, Ivana Valšová
Die Familiensaga TISÍCRO?NÁ V?ELA wird in Venedig mit
dem ‚Goldenen Löwen‘ ausgezeichnet und festigt Jakubiskos Ruf als
‚Fellini des Ostens‘. Die schillernde Chronik erzählt die Geschichte
einer slowakischen Bienenzüchterfamilie von den letzten Jahrzehnten
der Donau-Monarchie bis zum Beginn der des Ersten Weltkriegs. Jakubisko
verknüpft soziale, politische und ökonomische Probleme mit einer
leitmotivisch eingesetzten Naturmystik und zahlreichen Märchen- und
Sagenmotiven.
Der magische Realismus seiner Inszenierung verzaubert durch sinnlich-schöne
Bilder ebenso wie durch die zauberhafte Inszenierung übernatürlicher
Ereignisse, wie zum Beispiel einem Unwetter, bei dem es Frösche vom
Himmel regnet. Kein Zweifel, dass Emir Kusturica, ebenso wie Jakubisko
Absolvent der Prager Filmhochschule, sich nicht nur für das Finale
seines UNDERGROUND-Epos einiges bei Jakubisko abgeschaut hat. (Filmdienst,
Lexikon des Internationalen Films)
PERINBABA (FRAU HOLLE) 15.06. 15.00 h
?SSR/ BRD/ Österreich 1984 • 103 Min • OmenglU • Regie: Juraj
Jakubisko • Drehbuch: Lubomír Feldek, Juraj Jakubisko nach einem
Märchen der Gebrüder Grimm • Kamera: Jozef Šimoni? • Musik: Petr
Hapka • Produktion: Slowakische Filmproduktion Bratislava, ?SSR/ Omnia
Film München, Deutschland
mit Giuliettta Masina, Tobias Hoesl, Petra Van?íková,
Pavol Mikulík
Ein Filmmärchen nicht nur für Kinder. Frau Holle lenkt nicht
nur Wetter und Jahreszeiten, sondern auch den Lauf der Welt. Fernab der
menschlichen Welt erzieht Frau Holle den kleinen Jakub.
Jakubisko variiert das gleichnamige Märchen der Gebrüder
Grimm und schmückt es mit Motiven aus slawischen Volksmärchen
aus. Als Tribut an sein Vorbild Fellini besetzt er die Rolle der Frau Holle
mit Giulietta Masina. (?)
SEDÍM NA KONÁRI A JE MI DOBRE
(ICH SITZE AUF EINEM AST UND FÜHLE MICH WOHL)
17.06. 19.00 h
18.06. 17.30 h
?SSR/ BRD/ Italien 1989 • 103 Min • OmdtU • Regie: Juraj Jakubisko
• Drehbuch: Jozef Paštéka, Juray Jakubisko • Kamera: Ladislav Kraus
• Produktion: Slowakische Filmproduktion Bratislava, ?SSR/ Taunus Film
München, Deutschland / TVE, SACIS RAI UNO, Italien
mit Bolek Polívka, Ond?ej Havelka, Deána Horváthová,
Markéta Hubešová
Ein tragikomischer Rückblick auf die Nachkriegszeit und die 50er
Jahre. Der Komödiant Pepe, der Soldat Prengel und die aus einem KZ
befreite Ester sind drei durch den Krieg gezeichnete Heimatlose, die vergeblich
versuchen, ihren Traum von Glück und Geborgenheit zu verwirklichen.
Ungeachtet der Irrungen und Wirrungen der Stalin-Ära halten die drei
an ihrem Glauben an das einfache Glück fest.
NEJASNÁ SPRAVA O KONCI SVETA
(UNKLARE BOTSCHAFT VOM ENDE DER WELT)
18.06. 19.30 h
?R 1997 • 158 Min • OmenglU • Regie und Drehbuch: Juraj Jakubisko •
Kamera: Ján ?uriš • Produktion: J&J Jakubisko film, ?R / ?eska
televize ?R
mit Deana Horváthová, Milan Bahúl, Joachim Kemmer,
Vladimír Javorský, Lucie Vondrá?ková, Klára
Issová, Pavel Landovkský
Ein magisches Kaleidoskop der menschlichen Gesellschaft, situiert irgendwo
am Ende der Welt, am Anfang des 3. Jahrtausends. Die rustikale Dorfgemeinschaft
in der Abgeschiedenheit einer Grenzregion vermischt sich mit einer bunten
Komödiantentruppe. Zentrales Motiv der allegorischen Erzählung
ist die schicksalhafte Liebe zwischen Verona und Gora, leidenschaftlich,
rebellisch, frei von Dogmen und Konventionen. Die eigenwillige Befreiung
von den Fesseln der Gruppe zieht die Strafe durch die Gemeinschaft nach
sich. Jakubiskos monumentales Gesellschaftsportrait stützt sich auf
eine Prophezeiung von Nostradamus vom tausendjährigen Frieden, dem
jedoch zunächst eine völlige Zerstörung vorausgehen müsste.
Veranstalter:
Außenstelle der Botschaft der Tschechischen Republik Bonn
Außenstelle der Botschaft der Slowakischen Republik Bonn
Deutsch-Tschechische und Slowakische Gesellschaft e.V.
Kölner Filmhaus e.V., Jakubisko Film
Informationen und Kartenvorbestellungen:
0221- 222 710 22, www.koelner-filmhaus.de, www.offticket.de
Mit freundlicher Unterstützung durch das Außenministerium
der
Tschechischen Republik und das Außenministerium der Slowakischen
Republik