Deutsch- Tschechische und -Slowakische Gesellschaft e.V.

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Rede des Präsidenten der Slowakischen Republik,

Herrn Rudolf Schuster

zum Neujahrsempfang der DTSG, DUG und DPG am 19. Januar 2000 in Berlin

Verehrter Herr Vorsitzender Roth, verehrte Mitglieder der Deutsch-Slowakischen und Deutsch-Tschechischen Gesellschaft, liebe Gäste,

Ihrer Einladung zu dieser Zusammenkunft, die von der deutsch-tschechischen und deutsch-slowakischen Gesellschaft für Teilnehmer aus den Ländern der Visegrad-Gruppe und des Gastgeberlandes organisiert wurde, und die damit erneut ihre vielseitigen Aktivitäten und die Nützlichkeit ihres Handelns für die Verständigung und Zusammenarbeit in Mitteleuropa bestätigt, bin ich gern gefolgt.
Ich betrachte es als eine große Ehre, vor dieser angesehenen Versammlung über die Slowakei und die Visegrad-Gruppe sprechen zu können.
Wir sind hier zusammengekommen am Beginn des Jahres 2000, im letzten Jahr des 20. Jahrhunderts, einem Jahr des Bilanzierens und einem Jahr großer Hoffnungen.

Es ist noch gar nicht so lange her, dass ein Vertreter der Slowakei auf einem Treffen der Visegrad-Staaten nur schwer mit dem Hauptreferat über konkrete Aktivitäten innerhalb dieser Gruppierung hätte auftreten können. Diese Zeit liegt Gott sei Dank hinter uns. Nach den Wahlen im September 1998, aus denen bekanntlich die damalige Opposition als Wahlsieger hervorgegangen ist, hat sich die Stellung der Slowakei innerhalb kurzer Zeit radikal geändert. Schon das Wahlergebnis selbst ließ klar erkennen, dass sich die Verhältnisse in der Slowakei ändern würden. Nach der Bildung der Regierung konnte diese in kurzer Zeit deutliche Signale über die Verschiebung des Landes in Richtung zu den europäischen demokratischen Ländern aussenden. Der Prozess der demokratischen Veränderungen erreichte dann in der Direktwahl des Präsidenten der Republik seinen Höhepunkt. Aus der Slowakei wurde in der kurzen Zeit nur eines Jahres wieder ein vol1gültiges Mitglied der Visegrad-Gruppe. Das geschah auch dank dem Verständnis unserer Partner aus der Tschechischen Republik, Polen und Ungarn, mit denen wir diesen Weg der vierseitigen Zusammenarbeit einst beschritten haben.
Die Wiederbelebung der Tätigkeit der vier Visegrad-Staaten (V-4) und unsere Rückkehr zu den Integrationsbestrebungen haben zweifellos eine positive Auswirkung auch auf die Gesamtposition der Slowakischen Republik in der Europäischen Union. Der jüngste Helsinki-Gipfel konstatierte, dass die Slowakei die verlangten Kriterien erfüllt, die Demokratiedefizite, die ihr bei vorherigen Bewertungen vorgeworfen wurden, beseitigt hat und so zu den Kandidatenländern zurückkehren konnte, mit denen die Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden.

Wir schätzen die Tatsache, dass es uns innerhalb kurzer Zeit gelungen ist, in diese Gruppierung Seite an Seite mit unseren Nachbarn zurückzukehren. Wir wollen aber entschieden nicht in der Position eines passiven oder zurückbleibenden Angehörigen der Visegrad-Gruppe bleiben, sondern im Gegenteil. Den Prozess der Annäherung der Kandidatenländer Strukturen könnte man mit den an die europäischen Wettkämpfen einer Regatta vergleichen, bei der jedes Land sich mit der Geschwindigkeit, derer es fähig ist, vorwärtsbewegt. Wir wollen den Wind und auch die Kunst des Umgangs mit den Segeln, den Verstand und die Erfahrung der Besatzung, des Steuermanns und des Kapitäns gut nutzen. Gestatten Sie mir noch bei diesem Vergleich mit einer Segelregatta zu bleiben. Für eine gelungene Fahrt ist das zielstrebige Miteinander der ganzen Schiffsbesatzung unerlässlich. Ich kann Ihnen versichern, dass wir in der Slowakei 'auf der Ebene des Parlaments, der Regierung und des Präsidenten koordiniert in der genannten Richtung, deren Ziel die Mitgliedschaft in der NATO und der Europäischen Union ist, wirken.

Dass wir nicht nur in der Rolle eines passiv Abwartenden bleiben wollen, beweisen unsere Tätigkeiten und Initiativen, die wir in letzter Zeit insbesondere im Rahmen der Visegrad-Gruppe an den Tag gelegt haben. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass nach den bereits erwähnten Parlamentswahlen im September 1998 sich die Beziehungen zu unseren westlichen und südlichen Nachbarn, d.h. der Tschechischen Republik und Ungarn, deutlich verbessert haben. In der Beziehung zur Tschechischen Republik kam es zu einer wesentlichen Verbesserung auf allen Ebenen, vom Parlament, der Regierung, des Präsidenten bis hin zu den einzelnen Institutionen und dem Nicht-Regierungssektor. Dank dessen gelang es auch, so komplizierte vermögensrechtliche Angelegenheiten wie die definitive Regelung des gemeinsamen Vermögens der ehemaligen CSFR zu lösen. Die Rückkehr zum gegenseitigen Verständnis und Entgegenkommen ermöglichte auch die Herausgabe der gesetzlichen Normen für das Institut der doppelten Staatsbürgerschaft.
Damit können Hunderttausende Slowaken in der Tschechischen Republik wieder die slowakische Staatsbürgerschaft und Zehntausende Tschechen in der Slowakei wieder . die tschechische Staatsbürgerschaft erwerben. Erfreut kann ich feststellen, dass im Bereich der Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur sich eine konkrete Zusammenarbeit herausbildet und entfaltet. Ich möchte hier nur das Beispiel eines slowakischen Unternehmens des Energiemaschinenbaus erwähnen, das sich in Kooperation mit tschechischen Finalauftragnehmern am Aufbau und an der Lieferung der technologischen Anlagen für ein großes Wärmekraftwerk in China beteiligen wird.
Auch die Zusammenarbeit im Bereich der Wissenschaft und Forschung kommt wieder in Gang. So wurde zum Beispiel der unentgeltliche gegenseitige Studentenaustausch der Hochschulen vereinbart.
Im kulturellen Bereich sind viele Aktivitäten wieder aufgelebt. Das gegenseitige Gastieren von Theatern, Klangkörpern, Dirigenten usw. wird eine immer üblichere Erscheinung.

Eine besondere Erwähnung verdient meiner Meinung nach eine Initiative, über die wir uns mit Herrn Havel, dem Präsidenten der Tschechischen Republik, geeinigt haben. Das ist die Bildung einer gemeinsamen slowakisch-tschechischen Kommission für die Lösung der Probleme der Roma- Minderheit. Auf dem jüngsten Zusammentreffen der Präsidenten der Visegrad-Staaten, das bei uns in der Hohen Tatra stattfand, präsentierten wir die ersten Grundvorschläge zur Lösung dieser Frage. Einzelheiten finden Sie in den Materialien, die Sie auf diesem unserem Treffen erhalten haben. Dennoch will ich nur kurz wiederholen, dass die Lösung der Roma-Problematik nicht nur eine Sache der Slowakei oder der Tschechischen Republik ist, sondern heute schon ganz Europa angeht, und dass ohne die Mitwirkung und Zusammenarbeit der Staaten der Europäischen Union mit den Kandidatenländern der gewünschte Fortschritt nicht erreicht werden kann. Trotz qualifizierter Analysen, trotz des Bemühens einer Reihe von Fachleuten und Aktivisten aus Nicht-Regierungs-Organisationen gibt es kein Rezept für eine rasche und einfache Lösung der Roma-Problematik. Das ist ein Lauf über eine sehr lange Strecke und die Zeit wird eher in Jahrzehnten als in Jahren gemessen. Ich habe mich eingehend mit dieser Frage beschäftigt und bin gern bereit, auch zu Ihren etwaigen Fragen Stellung zu nehmen.
Die europäischen Medien haben sich in jüngster Zeit ausführlich mit einer Erscheinung auseinandergesetzt, die ich arbeitsmäßig als "Wirtschaftsmigration der Roma" bezeichnen will. Wir alle wissen, dass die Asylgesetzgebung in den Ländern der Europäischen Union aus den Jahren des Kalten Krieges stammt und absichtlich so konzipiert wurde, um Flüchtlingen von hinter dem Eisernen Vorhang Vorteile zu gewähren. Die Asylgesetzgebung einer Reihe von Staaten, ich nenne einmal Kanada, Finnland, Belgien, Dänemark, Norwegen oder Großbritannien widerspiegelt nicht ausreichend die neue Situation nach dem Fall der europäischen totalitären Regime, und es ist daher kein Wunder, dass berechnende Einzelpersonen oder Gruppen aus den Reihen des Roma- Ethnikums in diese Länder migrieren und gewissenlos Vorteile missbrauchen, die für wirklich verfolgte Flüchtlinge gedacht sind. Ich brauche nicht zu betonen, dass die heutige Slowakei hinsichtlich der Wahrung der Menschenrechte ein sicheres Land ist, und dass es bei uns weder politische, ethnische, noch Rassenverfolgung oder Unterdrückung gibt.

Nach dem Amtsantritt der neuen Regierung und nach den Präsidentenwahlen haben sich auch die Beziehungen zur Republik Ungarn deutlich verbessert. In einem bedeutenden Maße trug dazu die Verabschiedung des Gesetzes über die Verwendung der Sprachen der nationalen Minderheiten bei, das zwar nicht vollkommen ist, aber ein Kompromiss darstellt, der allgemein akzeptabel ist. Die Frage dieses Sprachgesetzes wird häufig nur auf das Problem - slowakisch-ungarisch eingeengt. Es betrifft jedoch auch andere in der Slowakei lebende Minderheiten: die ruthenische, die ukrainische, die tschechische, die polnische, die deutsche und andere. Ich kann Ihnen versichern, dass das Gesetz auch bei diesen Minderheiten positive Reaktionen ausgelöst hat. Nicht minder positiv wurde auch die erneuerte Möglichkeit, zweisprachige Schulzeugnisse auszugeben, aufgenommen.

Schon bei der Erstellung des Wahlprogramms der Partei des bürgerlichen Verständigung, deren Vorsitzender ich war, bestand ich auf dem Grundsatz, dass die ungarischen politischen Parteien ihre Vertretung in der Regierung haben sollten. Trotz der nationalistischen Rhetorik einiger politischer Gruppierungen in der Wahlkampagne, die der Partei der bürgerlichen Vertsändigung gewisse Verluste zufügten, bin ich nicht von dieser Position abgewichen und habe bei allen Verhandlungen über die Bildung der Regierungskoalition auf dieser Forderung bestanden. Dass es die richtige Entscheidung war, beweist nicht nur die positive Resonanz des Auslandes auf .die Regierungsbeteiligung der Ungarn, sondern auch das Verhalten der ungarischen Minister in der Regierung und der ungarischen Abgeordneten im Parlament. Sie halten Wort, sie erfüllen, was vereinbart wurde und stellen in der Regierungskoalition ein ausgesprochen stabilisierendes Element dar, was man nicht immer von allen Koalitionspartnern sagen kann. Dennoch sind einige von ihnen böse auf mich. In meinem neuen Buch "Rückkehr in die große Politik" habe ich Fakten veröffentlicht, die bestimmten Politikern nicht passen, wegen des Bildes makelloser Demokraten, um das sie sich bemühen. Ich bin jedoch der Meinung, dass auch der Normalbürger einen Einblick in die sogenannte hohe Politik haben soll, zumindest in der Form, dass die Politiker ihm sagen, worüber sie sich tatsächlich geeinigt haben und was sie dazu motiviert hat.

Im Zusammenhang mit den bilateralen Kontakten mit Ungarn möchte ich noch der Europäischen Union meinen Dank aussprechen. Die großzügige Zuwendung aus dem PHARE- Fonds ermöglichte es, einen der letzten Schäden des Zweiten Weltkrieges zu beseitigen. Ich spreche von dem Wiederaufbau der Marie-Valerie Brücke, die vor dem Krieg die slowakische Stadt Stúrovo mit dem ungarischen Esztergom an der Donau verbunden hat. Dann wurde sie zerstört und wird nun nach 55 Jahren wieder hergestellt.

Eine allgemeine Erwärmung der Beziehungen zwischen der Slowakei und Ungarn können wir auf allen Ebenen feststellen, was sich bis in die Beziehungen zwischen den Gemeinden bzw. Städten auswirkt. Als Beispiel möchte ich in diesem Zusammenhang die Herausgabe des gemeinsamen zweisprachigen Buches Kosice - Miskolc anführen, das ich die Ehre hatte, gemeinsam mit meinem hochverehrten ungarischen Kollegen, Herrn Arpad Göncz, der Öffentlichkeit zu präsentieren. Schließlich äußert sich die Verbesserung der Beziehungen auch in der reziproken Errichtung eines Generalkonsulats. Das ungarische wird in Kosice und das slowakische in Békecsaba sein.

Eine allseitige Vertiefung der Kontakte ist auch zwischen der Slowakei und Polen eingetreten- Gemeinsam mit Herrn Alexander Kwasniewski, mit dem ich schon in der Vergangenheit gute Beziehungen hatte, haben wir mehrere Initiativen vereinbart. Ich nenne hier nur das Pilotprojekt der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit über die ganze Länge der gemeinsamen 450 km langen slowakisch-polnischen Grenze. Der Grundgedanke sind direkte Kontakte und Zusammenarbeit der Gemeinden, Städte , Betriebe, Institutionen und dergleichen, die sich auf der Basis der Freiwilligkeit und des gegenseitigen Vorteils einen Partner auf der anderen Seite der Grenze aussuchen. Auch dieses Projekt der Zusammenarbeit wurde auf dem Gipfel der Visegrad- Gruppe vorgestellt. Einzelheiten finden Sie in dem Material, das wir Ihnen zur Verfügung gestellt haben.

Für sehr wichtig halte ich das multilaterale Projekt der Visegrad-Gruppe bezüglich der Errichtung eines Schulungszentrums für die praktische Umsetzung der Schengener Vereinbarungen in den Visegrad-Staaten. Das Ziel dieses Zentrums ist die Schaffung der Voraussetzungen für eine grenzfreie Zusammenarbeit und zwar personell, technisch, legislativ u.a. Das Zentrum wird in der Slowakei sein und Experten aus der Europäischen Union werden Vorlesungen halten. Die Slowakei rechnet mit dem Eintritt in die Europäische Union etwa zur gleichen Zeit wie die anderen Staaten der Visegrad-Gruppe bzw. mit der Möglichkeit, sich in einem geeigneten Zeitpunkt dem Schengener Abkommen anzuschließen. Es wäre nicht wünschenswert, dass zwischen den Visegrad-Länderm Schengener Grenzen entstehen würden. Ich denke, dass, wenn Grenzen dieses Typs nur in dem relativ kurzen slowakisch-ukrainischen Abschnitt geschaffen werden, das für uns alle von Vorteil wäre.

Im Unterschied zu den übrigen Visegrad-Staaten befindet sich die Slowakei bezüglich der NATO in einer spezifischen Lage. Während Polen, die Tschechische Republik und Ungarn bereits vollberechtigte Mitglieder dieser euroatlantischen Gruppierung sind, ist die Slowakei in der Situation um eine „Stufe niedriger". In die NATO sind wir programmgemäß vor sieben Jahren gemeinsam aufgebrochen, alle Visegrad-Staaten. Leider ist die Slowakei, durch die Schuld der heuchlerischen Politik der vergangenen Regierung, aus dieser ersten Gruppe ausgeschieden. Und obwoh1 die Slowakei nur Kandidatenland ist, hat sie sich in der kritischen Situation praktisch wie ein vollberechtigtes Mitglied verhalten. Ich meine damit die Kosovo-Krise. Wir haben der NATO unseren Luftraum und Bodeninfrastruktur zur Verfügung gestellt. Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang eine kurze Abschweifung. Die Kosovo-Krise fiel zeitlich mit der Präsidentenwahlkampagne in der Slowakei zusammen. Mein Hauptkonkurrent, Herr Meciar, setzte auf die Anti-NATO-Karte, die gegen den Beitritt der SR zu dieser Organisation gerichtet war. Ich hielt an meinen Grundsätzen fest und, obwohl die öffentlichen Meinungsumfragen erkennen ließen, dass ich durch meine Haltung zu Kosovo und NATO Stimmen verlieren würde, gab ich dem prinzipiellen Standpunkt den Vorzug vor dem utilitaristischen Populismus. Ich bedaure das bis heute nicht, obwohl mein Wahlsieg noch deutlicher hätte sein können, wenn ich "verschleiert" hätte.

Gestatten Sie mir zum Schluss noch ein paar , Sätze zur Wirtschaft und zur Perspektive der Slowakischen Republik.
Die Besserung im politischen Bereich war relativ einfach und rasch. Für ihre Erfüllung genügten der Regierungswechsel und der politische Wille zur Beseitigung der Demokratiedefizite, zur Verbesserung im Bereich ,der Menschen- und Bürgerrechte, des Fortschritts - in der Beziehung zu den nationalen Minderheiten. Die Veränderungen im wirtschaftlichen Bereich sind wesentlich schwerer und schwieriger.
Die Slowakei befindet sich im Grunde genommen in der gleichen Lage wie die meisten postkommunistischen Länder, die die Transformierung von der zentralen dirigistischen Wirtschaft zum Markt- bzw. sozialen Marktmodell verwirklichen. Die Slowakei ist darüber hinaus durch den Verlust von vier Jahren gehandicapt, weil die vorherige Regierung nicht die Transformationsschritte verwirklicht hat, die sie verwirklichen hätte sollen. Die Privatisierung der Großbetriebe wurde nicht nach den Grundsätzen der volkswirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit durchgeführt, sondern vielmehr nach politischen Kriterien und in einer Weise, die stark an klientelistische Beziehungen erinnert. Die neue Regierung nimmt ihre Wahlverpflichtungen ernst. Sie ging, vielleicht etwas zögerlich, an unpopuläre, jedoch notwendige Maßnahmen heran. Dabei konnte sie sich bestimmter Affären nicht erwehren, die ihrer Autorität nicht zuträglich waren.

Das Jahr 1999 war ein Jahr der Restriktionen, der Einschränkung der öffentlichen Ausgaben. Ein solches wird auch das Jahr 2000 sein, in dem uns eine weitere Preisliberalisierung erwartet. die sich in steigenden Preisen äußern wird. Das betrifft hauptsächlich die Energieträger, deren Preis bislang keinesfalls mit den Marktäquivalenten korrespondiert.
Die Regierung erwartet daher ein schweres Jahr, vor allem deshalb, weil die Bevölkerungsschichten, die an der Grenze des Existenzminimums vegetieren, größer werden. Es wird ein Balancieren auf einem sehr schmalen Grat, da die Regierung sich bewusst ist, dass sie die Schwelle der sozialen Zumutbarkeit nicht überschreiten darf, damit es zu keinen massenweisen Unmutsäußerungen der Bürger kommt, die die Situation noch weiter destabilisieren würden.

Die schwere wirtschaftliche Lage wird von der jetzigen Opposition ausgenutzt. So wie jede Opposition kritisiert sie auch das, woran sie selbst einen Anteil hat und bemüht sich, möglichst bald an die Macht zu kommen. Sie benutzt auch die soziale Demagogie ."bei uns war es besser" und die Herausbildung der Ansicht, dass es günstig wäre, vorzeitige Parlamentswahlen auszuschreiben. Ich bin nicht dieser Meinung. Vorzeitige Parlamentswahlen würden der Volkswirtschaft nichts Positives bringen, im Gegenteil, sie würden ausländische Investoren verunsichern, die wir in unserem Land sehr nötig brauchen. Ich bin überzeugt, dass es im Interesse meines Landes ist, dass diese Regierung der breiten Koalition die ganze Legislaturperiode aushält und dass sie das tut, was unbedingt erforderlich ist: die Entschuldung und Privatisierung der großen Finanzinstitute, strategische ausländische Investoren für die Telekommunikation, die Gaswirtschaft und weitere wichtige Unternehmen zu gewinnen die ihre Umstrukturierung und Innovierung ermöglichen würden. Die Regierung muss mit ihrer Steuerpolitik und der Schaffung geeigneter Instrumente unbedingt auch die Entwicklung des kleinen und mittleren Unternehmens, des Rückgrat einer hochentwickelten Wirtschaft, fördern.

Regierung und Parlament, und ich unterstütze sie darin nach Kräften, erwartet noch eine wichtige Aufgabe, und zwar die Ausarbeitung und Verabschiedung der Staatsdoktrin. Ich bestehe darauf, dass diese auch von der Opposition akzeptiert wird. Ich führe in diesem Geiste auch entsprechende Verhandlungen. Es ist doch nicht vertretbar, dass nach jeden Wahlen die Grundrichtung des Staates in Zweifel gezogen wird. Im Interesse der Demokratie und der Eigenstaatlichkeit muss die Kontinuität erhalten werden, ungeachtet des Parteienwechsels an der Macht. Ein Bestandteil der Staatsdoktrin muss die strategische Richtung der Slowakei in die Europäische Union und die NATO und die unveränderliche Orientierung an sozialen Marktprinzipien der Volkswirtschaft sein.

Im Zuge der Vorbereitungen der Doktrin werden gewiss auch Diskussionen stattfinden, welchen Branchen erhöhtes Augenmerk zu widmen sein wird, was stimuliert werden muss oder wofür geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen sind. Um richtig verstanden zu werden: es geht hier nicht um eine Rückkehr zu überwundenen zentralen Planungspraktiken, sondern um die Schaffung einer Zukunftsvision, auf die mein Land im Laufe von 8-12 Jahren zusteuern wird.

Die deutsch-tschechische und deutsch-slowakische Gesellschaft hatte in ihren Reihen stets ökonomisch orientierte Mitglieder. Gestatten Sie mir, Ihnen als ergänzende Information zum Stand der slowakischen Wirtschaft in schriftlicher Form einige grundlegenden Wirtschaftsdaten zu überreichen.

Wie gesagt, erwartet uns kein leichtes Jahr 2000. Ich nehme jedoch an, dass ab dem Jahr 2001 sich die ökonomische und im Anschluss daran auch die sozialpolitische Situation verbessern wird. Im Horizont der kommenden fünf Jahre wird dann die Slowakei durchaus auf den Beitritt zur Europäischen Union vorbereitet sein, nicht nur politisch und legislativ, sondern auch wirtschaftlich und organisatorisch. Ich zweifle nicht daran, dass Deutschland ein bedeutsamer Helfer bzw. Patron für uns sein wird, mit dem, wie ich hier gern konstatiere, unsere Beziehungen wirklich problemlos und entgegenkommend sind.

Für diese ständige deutsche Hilfe für die Slowakei in ihren Integrationsbestrebungen möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bedanken.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und bin bereit Ihre Fragen zu beantworten.