Der tschechische Schriftsteller Egon Bondy, geb. 1931 veröffentlichte seinen Roman Die invaliden Geschwister erstmals 1974 in tschechischen Samiszdat. Jetzt ist der Roman erstmals auf deutsch erschienen (Elfenbein Verlag, Heidelberg, 1999).
Bondys utopischer Roman spielt in einer düsteren Zeit: im Jahr 2600. Auf dem letzten Stück Festland, das von einer langsam ansteigenden Brühe aus Abfällen vorangegangener Generationen umgeben ist, leben die Invaliden, die sich auf die Suche nach einem Paradies in vorzivilisatorischem Zustand machen. Bondys scharfe, vernichtende Kritik an der Gesellschaft und am menschlichen Verhalten überhaupt wird jedoch nie mit erhobenem Zeigefinger ausgesprochen. Der Blick auf die Zivilisation bleibt kühl und distanziert, ohne jedes Veränderungspathos, wie es so mancher Weltuntergangsvision eigen ist. So verwirklicht der Roman aufs beste die Botschaft, die er vermittelt: Der Leser muss in eigener Verantwortung das Gespinst von Phantastik und Absurdität entwirren, um den Roman zu verstehen.
Egon Bondy (geb. 1931) ist eher als Lyriker bekannt denn
als Erzähler und Essayist. In der zweiten Hälfte der 40er Jahre war
er Mitglied der Surrealistischen Gruppe, in den 50er Jahren gründete er
die Samizdat-Edition Pulnoc (Mitternacht). 1971 wurde er zu einer
der intellektuellen Größen des Prager Underground. Bondys
umfangreiches dichterisches Werk war bis zur Sanften Revolution
von 1989 in der Tschechoslowakei nur als Typoskript im Umlauf. Bondy emigrierte
Anfang der 90er Jahre in die Slowakei.
Herr Bondy wird auf deutsch und auf tschechisch lesen.
Freitag, 13. Oktober 2000, 19.30 Uhr im Lew Kopelew Forum, Neumarkt 18 (Neumarkt-Passage) 50 Köln Eintritt: DM 7,-
Übersetzungen ins Deutsche:
Die invaliden Geschwister. Roman (Elfenbein Verlag: 1999)